30. November 2008

Entwicklungszusammenarbeit stärken!



Die Einkommensunterschiede in den Entwicklungsländern sowie die globale Reichtumsverteilung sind bis heute extrem ungerecht. Wir begreifen alle Menschen dieser Erde als Individuen, denen gleichwertige Entfaltungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen müssen. Eine grundsätzliche Solidarität der Weltgemeinschaft ist deshalb ausdrücklich nicht allein aus einem historischen Abhängigkeitsverhältnis ehemaliger Kolonien zu den jeweiligen Kolonialmächten zu begründen, sondern gegebene Handlungsmaxime.

Entwicklung ist mehr als nur wirtschaftliches Wachstum. Erfolgreiche Entwicklungspolitik lässt sich an der Reduzierung von Armut, an ihrer ökologischen Nachhaltigkeit und der Achtung der Menschenrechte messen. Die GRÜNE JUGEND NRW betont dabei insbesondere das Recht auf körperliche Unversehrtheit, das Recht auf Nahrung, Kleidung, Wohnung, ärztliche Versorgung und Bildung sowie auf politische Teilhabe. Wir betrachten demokratische Regierungsformen als geeignetsten Weg, diese Voraussetzungen zu erfüllen. Unser Ziel ist jedoch nicht, westliche Vorstellungen von Demokratie zu verbreiten, sondern allen Menschen politische Teilhabe zu ermöglichen. Entwicklungszusammenarbeit ist immer mit der Gefahr des „Kulturimperialismus“ behaftet, wir sehen dennoch die Verwirklichung der universellen Menschenrechte als zentrales Ziel der Entwicklungspolitik an. Demokratische Strukturen und die Achtung der Menschenrechte müssen „von unten“ wachsen. Entwicklungsprojekte sollten daher immer die Menschen vor Ort gleichberechtigt mit einbeziehen und dem Grundsatz der Hilfe zur Selbsthilfe folgen. Wir setzen uns dafür ein, dass die Entwicklungszusammenarbeit immer an die Vereinbarung einer Menschenrechtsagenda geknüpft ist. Ein weiteres Kriterium für die Entwicklungszusammenarbeit sollte das Prinzip des Good Governance sein, also eine verantwortungsvolle und transparente Staatsführung, welche Partizipation ermöglicht, die universellen Menschenrechte achtet und für eine gerechte Verteilung der vorhandenen Ressourcen sorgt. Entwicklungszusammenarbeit darf nicht von wirtschaftlichen Interessen geleitet sein. Eine Entwicklungspolitik, die in wirtschaftliche Abhängigkeit führt, lehnen wir ab.

Derzeit werden noch viel zu wenig finanzielle Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit aufgewendet. Eine Politik der Industriestaaten, die den Entwicklungsländern eine verstärkte wirtschaftliche und soziale Entwicklung ermöglicht, lohnt sich für beide Seiten. Wir wehren uns gegen eine Argumentation, die Entwicklungszusammenarbeit immer nur mit Vorteilen für die westlichen Länder rechtfertigt, seien es wirtschaftliche Vorteile oder die Verringerung terroristischer Bedrohungen. Für uns haben die lokalen friedenssichernden Wirkungen einer durchdachten Entwicklungszusammenarbeit mindestens gleichwertige Priorität. Gerade in der Zeit der globalen Klimakatastrophe kann eine gerechte Verteilung der Ressourcen auf der globalen Ebene lokale und globale Sicherheitsrisiken mindern. Die zentrale Finanzierungsmöglichkeit einer ausgeweiteten Entwicklungszusammenarbeit stellt eine Reduktion der Rüstungsausgaben bei gleichzeitiger Umverteilung in Projekte der Entwicklungszusammenarbeit und der zivilen Konfliktprävention und -bewältigung dar. Zudem müssen entwicklungspolitische Aspekte endlich überall mitgedacht werden, wo sie die Entwicklungszusammenarbeit betreffen, wie z.B. in der Handels- oder Umweltpolitik.

Millenniumsziele umsetzen

Im Jahr 2000 hat die UN-Generalversammlung die „Millenniumsziele“ vereinbart, welche 8 dringende Handlungsfelder in der Entwicklungszusammenarbeit definieren. Besonders wichtige Ziele für mehr Gerechtigkeit und das Gelingen von Entwicklungspolitik sind für die GRÜNE JUGEND NRW dabei die Beseitigung von Armut und Hunger, die Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit, die Bekämpfung von HIV/AIDS, Malaria und anderen Infektionskrankheiten sowie die Sicherung der ökologischen Nachhaltigkeit.
Im Rahmen dieser Vereinbarung hat sich auch die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet ihren Entwicklungsetat bis 2015 auf 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens (knapp zwanzig Milliarden Euro) zu steigern. Leider lag der Etat im letzten Jahr lediglich bei 0,38 Prozent, womit vermutlich selbst der europäische Stufenplan, der einen Anteil von 0,51 Prozent bis 2010 vorsieht, nicht erreicht wird. Wir fordern daher die Bundesregierung auf, ihren Versprechen sofortige Taten folgen zu lassen und sich endlich ernsthaft für die Erreichung der Millenniumsziele einzusetzen.

Beseitigung der extremen Armut und des Hungers

Ziel ist bis 2015 sowohl die Anzahl der extrem armen als auch der Hunger leidenden Menschen zu halbieren. Nach Definition der Weltbank ist arm, wer weniger als einen US-Dollar pro Tag zur Verfügung hat, was derzeit etwa 1,1 Milliarden Menschen betrifft. Die Ursachen der Armut sind vielfältig. Sie reichen von Landflucht über Arbeitsunfähigkeit durch Mangelernährung bis hin zu Abhängigkeitsstrukturen. Wege aus dem Teufelskreis der Armut sind neben ausreichender Nahrung, sauberem Trinkwasser und einer Gesundheitsversorgung, der Zugang zu Bildung, die Aneignung wirtschaftlicher Fähigkeiten und eine funktionierende Infrastruktur.

Gleichstellung der Geschlechter

In der Regel lastet ein Großteil der alltäglichen Pflichten auf den Frauen. Sie sind nicht nur Hauptproduzentinnen in der Subsistenzwirtschaft, sondern üben neben der Hausarbeit, Kinderbetreuung und -erziehung auch viele handwerkliche Tätigkeiten aus. Die GRÜNE JUGEND NRW fordert die vollständige Umsetzung des Gendermainstreamings und Gender Budgetings im Rahmen der Projektfinanzierung bei allen Projekten der Entwicklungszusammenarbeit. Die wirtschaftliche, soziale, rechtliche und politische Gleichstellung von Frauen ist grundlegende Voraussetzung für eine nachhaltige Entwicklung. Frauen müssen in allen Entscheidungsgremien der jeweiligen Entwicklungsinstitutionen mindestens zur Hälfte vertreten sein.

Bekämpfung von HIV/AIDS, Malaria und anderen Infektionskrankheiten

Bis 2015 soll die Ausbreitung von HIV/AIDS, Malaria und anderen Infektionskrankheiten gestoppt werden. 40 Millionen Menschen weltweit sind mit HIV infiziert, 25 Millionen davon alleine in Afrika. Zu der menschlichen Tragödie kommen ökonomische und soziale Auswirkungen. Denn AIDS betrifft besonders den Teil der Bevölkerung, der für die Versorgung der Familie zuständig ist, Frauen und Männer im mittleren Alter. Viele Familien können die Kosten zur Behandlung von HIV-positiven Familienmitgliedern nicht auffangen beziehungsweise das Geld fehlt ihnen dann an anderen Stellen, wie bei der Ausbildung der Kinder.
Die GRÜNE JUGEND NRW fordert die Einrichtung eines Fonds, bei einer der Organisationen der Vereinten Nationen, in den alle großen Pharmakonzerne einzahlen müssen. Das Geld aus diesem Fonds wird in die Erforschung und Finanzierung von armutsspezifischen und wenig lukrativen Medikamenten gesteckt, denn aktuell werden für Gesundheitsprobleme, die 90% der Bevölkerung betreffen, nur 10% der Ausgaben verwendet. Des Weiteren verlangen wir die Lockerungen des Patentschutzes sowie die Erlaubnis zum Import und Produktion von günstigen Generika für die Entwicklungsländer.
Um Aids nachhaltig zu bekämpfen, bedarf es endlich umfassender Sexualaufklärung in den Schulen. Mit der Dämonisierung von Kondomen, wie sie vor allem die katholische Kirche betreibt, muss endlich Schluss sein!
Der schlechte Ausbau der Infrastruktur, insbesondere mangelnde Hygienestandards, befördert die Ausbreitung gefährlicher Infektionskrankheiten. Deshalb muss die Versorgung mit sauberem Trinkwasser in den Entwicklungsländern verbessert werden, um auch präventiv gegen oft tödliche Krankheiten vorzugehen. Den Privatisierungsbestrebungen für die Trinkwasserversorgung, die von der WTO im Rahmen des GATS-Abkommens (Allgemeine Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen) vorangetrieben wird, erteilen wir eine entschiedene Absage!

Sicherung der ökologischen Nachhaltigkeit

Die Industrieländer tragen für die ökologischen Katastrophen unserer Zeit, besonders den Klimawandel, die Verantwortung. Sie und westliche Konzerne haben in der Vergangenheit vielfach von ihrer klimafeindlichen Politik profitiert. Unter den Folgen dieser Politik, wie Überschwemmungen, der Ausbreitung von Wüsten und Wirbelstürmen haben gerade die Länder des globalen Südens zu leiden. Aufgrund dieses Missverhältnisses stehen die Industrieländer in der Verantwortung, die ökologischen Herausforderungen anzugehen. Sie müssen dabei zugleich den Schwellenländern helfend und beratend zur Seite stehen, damit deren wirtschaftlicher Expansionsprozess die Klimakatastrophe nicht verstärkt.
Eine globale Umweltpolitik ist enorm wichtig für die Entwicklungspolitik. Durch den Schutz von Regenwäldern, die Bekämpfung der Wüstenausweitung, den Einsatz neuer und energiesparender Technologien und den weltweiten Ausbau erneuerbarer Energien kann ein ökologisch nachhaltiges Wachstum erreicht werden ohne unseren Planeten zu zerstören.
In diesem Zusammenhang besitzen große, zusammenhängende Ökosysteme, wie der Regenwald, eine Schlüsselfunktion. Sie sind essentiell für den Erhalt unseres Klimas, indem sie große Mengen an CO2 und Süßwasser speichern, bergen aber auch gewinnbringende Ressourcen, wie Öl oder Holz. Ein Verzicht von Seiten der Entwicklungs- und Schwellenländer auf die Ausbeutung der dort befindlichen Ressourcen, muss sich also entsprechend lohnen. Auch werden Waldrodungen bisher nicht in CO2-Bilanzen eingerechnet, obwohl sie das Klima gleich doppelt belasten. Entwicklungszusammenarbeit ist somit eng verzahnt mit einer globalen Umweltpolitik. Denn durch Maßnahmen, wie den Erhalt der Regenwälder, die Bekämpfung der Wüstenausweitung und den Schutz der Weltmeere muss dem Klimawandel langfristig entgegengewirkt werden und die Basis für eine nachhaltige Entwicklungspolitik geschaffen werden.
Eine globale Umweltpolitik braucht aber auch geeignete Instrumente, um nachhaltiges Wirtschaften verpflichtend zu machen. Dafür müssen geeignete Konzepte in internationaler Zusammenarbeit entwickelt werden.
Der Energiesektor muss entwicklungspolitisch ebenfalls ökologisch gestaltet werden. In diesem Zusammenhang profitieren Entwicklungsländer nicht von westlich importierter Kohle- und Atomenergie. Stattdessen sollte es Ziel der Entwicklungszusammenarbeit sein, dezentrale Energiestrukturen aufzubauen und Projekte zur lokalen Eigenversorgung mit erneuerbaren Energien zu fördern.
Mit all diesen Maßnahmen und dem Einsatz neuer und energiesparender Technologien kann ein ökologisches, nachhaltiges Wachstum erreicht werden, ohne unseren Planeten zu zerstören.
Viele Agrarkonzerne rechtfertigen den Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft gerade in den Ländern des globalen Südens als Hungerbekämpfung. Wir stellen uns dem mit aller Kraft entgegen, unser Ziel ist eine gentechnikfreie Landwirtschaft auf der ganzen Erde, denn nur so vermeiden wir globale Abhängigkeitsbeziehungen und gewährleisten globale Biodiversität.

Verwirklichung der allgemeinen Grundschuldbildung

Ein Millenniumsziel ist, dass bis 2015 alle Kinder auf der Welt eine kostenlosen Grundschulbildung erhalten. Derzeit haben etwa 130 Millionen Kinder keinen Zugang zu Bildung, davon 70% Mädchen. Mittlerweile ist der Schulbesuch zwar in den meisten Ländern kostenlos, für die Menschen vor Ort stellen ein Mangel an Geld für Bücher, Kleidung und Schulmaterial sowie lange Schulwege und fehlende Transportmöglichkeiten jedoch oftmals unüberwindbare Hindernisse dar. Die GRÜNE JUGEND NRW sieht Bildung als Schlüssel für ein selbstbestimmtes Leben an. Ausreichende Bildung ist deshalb entscheidend für eine erfolgreiche Umsetzung aller Millenniumsziele.

Vereinte Nationen demokratisieren

Damit unsere Vorstellungen von nachhaltiger Entwicklung umgesetzt werden können, sind Veränderungen in den Strukturen und Abläufen der Vereinten Nationen (UNO) dringend notwendig. Wir sehen sie als geeignetste Akteurin für eine gerechte Weltordnung. Die GRÜNE JUGEND NRW fordert eine grundlegende Demokratisierung der UNO.

Wir fordern die Verwirklichung des Prinzips „one country, one vote“ in allen Gremien der Vereinten Nationen und ihrer Sonderorganisationen. Besonders innerhalb von IMF und Weltbank darf die politische Mehrheitsfindung nicht länger an die Einlagesumme eines Staates geknüpft sein. Vor allem der Sicherheitsrat muss dringend reformiert werden. Langfristig gehört das Vetorecht im Sicherheitsrat als undemokratisches Instrument im Zuge einer Reform abgeschafft. Kurzfristig fordern wir eine bessere Repräsentation der bisher ausgeschlossenen Kontinente Asien, Afrika und Lateinamerika sowie einen gemeinsamen europäischen Sitz. Vor allem der Sicherheitsrat muss dringend reformiert werden. Langfristig gehört das Vetorecht im Sicherheitsrat als undemokratisches Instrument im Zuge einer Reform abgeschafft. Kurzfristig fordern wir eine bessere Repräsentation der bisher ausgeschlossenen Kontinente Asien, Afrika und Lateinamerika sowie einen gemeinsamen europäischen Sitz. Im Zuge dessen soll der Generalversammlung mehr Entscheidungskompetenz zugesprochen werden. Darüber hinaus müssen Gremien, wie zum Beispiel die Welthandels- und Entwicklungskonferenz (UN Conference on Trade and Development, UNCTAD), in denen alle Länder mit gleichem Gewicht vertreten sind, auch zentrale Entscheidungskompetenzen erhalten. Viel zu oft werden Verträge und Abkommen, die alle Staaten der Welt betreffen, in Gremien vereinbart, in denen nicht alle Mitglieder das gleiche Gewicht oder zu denen gar nicht alle Staaten Zugang haben. Es darf nicht sein, dass elementar wichtige Entscheidungen in exklusiven Gremien gefällt werden. Viel zu häufig nutzen die stärkeren Nationen ihr Gewicht innerhalb des UN-Systems zu Ungunsten der schwächeren Länder aus. Doch solange dies möglich ist, kann es keine gleichberechtigte Zusammenarbeit auf der Welt geben.

Ein weiterer Schritt zur Demokratisierung der UNO ist die stärkere Beteiligung und Einbindung von oppositionellen Gruppen und anderen AkteurInnen der Zivilgesellschaft. Wir begrüßen daher, dass heute bereits Anhörungen und Beratungsprozesse stattfinden, in denen die Einschätzungen von NGOs beachtet werden. Wir fordern die Staatengemeinschaft auf, diese Standpunkte auch in die Entscheidungsprozesse zu integrieren. Darüber hinaus muss eine tatsächliche Demokratisierung der UN bedeuten, dass es eine echte Repräsentation der WeltbürgerInnen gibt. Die GRÜNE JUGEND NRW unterstützt daher ausdrücklich die Kampagne zur Errichtung einer Parlamentarischen Versammlung (United Nations Parlamentary Assembly, UNPA) für die UNO als ein neues Organ der Vereinten Nationen, dessen Delegierte auch direkt von den BürgerInnen der Mitgliedsstaaten gewählt werden.

Das Entwicklungsprogramm der UNO (United Nations Development Programm, UNDP) ist die für Entwicklungszusammenarbeit zuständige UN-Sonderorganisation. Die GRÜNE JUGEND NRW unterstützt ausdrücklich ihre vielschichtigen und auf die Erreichung der Millenniumsziele ausgerichteten Förder- und Entsendeprogramme und fordert eine Erhöhung des Etats für das UNDP.

Fairer Welthandel

Die GRÜNE JUGEND NRW setzt sich für den konsequenten Ausbau des Fairen Handels ein. Die Prinzipien des Fairen Handels müssen zur Grundlage des gesamten Welthandels werden. Dazu gehören die Einhaltung von sozialen und ökologischen Kriterien sowie die Beachtung und Respektierung von kulturellen Besonderheiten in den Produktionsländern. Fairer Welthandel bedeutet für uns einen gerechten Preis für erbrachte Leistungen und Waren zu zahlen. Unter ausbeuterischen oder umweltschädlichen Bedingungen hergestellte Produkte dürfen nicht länger gehandelt werden!

Die GRÜNE JUGEND NRW ist Teil einer globalisierungskritischen Bewegung. Wir lehnen Globalisierung nicht ab, wir wollen sie demokratisch und gerecht gestalten. Statt der Verbreitung neoliberaler Ideologien und einer rein wirtschaftlichen Globalisierung, setzen wir auf kulturellen Austausch, politische Zusammenarbeit, soziale und ökologische Nachhaltigkeit. Um das Ziel einer gerechten Welt- und Handelsordnung zu erreichen, müssen die globalen Handelsorganisationen reformiert werden.
Wir kritisieren insbesondere auch die zu starke amerikanische und europäische Dominanz in den Welthandelsstrukturen. Der Welthandel muss allen zu Gute kommen und darf nicht von durch Industrieländer beeinflussten Institutionen bestimmt werden.

Die Welthandelsorganisation (WTO) regelt den Welthandel, wobei sie bisher vor allem das Ziel der Liberalisierung der Märkte vorangetrieben hat. Wir wollen die WTO von Grund auf anders strukturieren, hin zu einer Organisation, die den Welthandel gerecht und nachhaltig gestaltet. Auf dieser Grundlage müssen internationale Richtlinien zur Regulierung der Weltwirtschaft vereinbart werden. Gerade erst wird wieder deutlich, wie dringend notwendig die starke Kontrolle und Beschränkung der weltweiten Finanzmärkte ist. Wir setzen uns darüber hinaus für die Einführung einer internationalen Steuer auf Devisengeschäfte ein, um Währungsspekulationen einzudämmen. Doch auch außerhalb der WTO müssen die Europäische Union und Deutschland eine VorreiterInnenrolle in der Umsetzung des fairen und ökologischen Welthandels einnehmen. Als zweitgrößte Importnation der Erde muss Deutschland sein Gewicht in der Weltwirtschaft nutzen, um auch über eigenständige, nationale Verordnungen entsprechende Standards im Handel mit den Entwicklungsländern zu garantieren.“

Kreditvergabe

Die Weltbank und der Internationale Währungsfonds (IWF) als weitere Säulen des Welthandels verpflichten Länder im Gegenzug für die Vergabe von Krediten meist zur marktwirtschaftlichen Deregulierung und Privatisierung. Derartige Bedingungen lehnt die GRÜNE JUGEND NRW entschieden ab. Oft werden zudem Großprojekte wie Staudämme gefördert, die insbesondere für die Industrieländer von wirtschaftlichem Interesse sind. Ökologische Standards und Menschenrechte werden häufig mit Füßen getreten. Die Vergabe von Krediten an Staaten muss sich grundsätzlich an der Umsetzung der Menschenrechte und den Kriterien des Good Governance orientieren. In den vergangenen Jahren haben besonders Weltbank und IMF ihre Politik verändert. Wir begrüßen den Trend, die alte Strukturanpassungsideologie aufzugeben und die Bekämpfung von Armut durch sinnvolle, kleinere Projekte mit Partizipation der lokalen Bevölkerung zu unterstützen. Instrumente, wie die Poverty Reduction Strategy Papers der Weltbank und die flankierenden Kreditvergaben durch den IMF, stellen richtige Schritte dar, weil sie die lokalen Gegebenheiten stärker berücksichtigen. Andererseits müssen diese Maßnahmen weiterhin durch die undemokratischen IMF-Gremien genehmigt werden und die Einbeziehung der Zivilgesellschaft wird zum Teil weiterhin als mangelhaft angesehen.

Um die Entwicklungsländer wirklich nachhaltig zu unterstützen, fordert die GRÜNE JUGEND NRW die Konzentrierung auf kleinere und lokale Projekte, die Verbesserungen für die Menschen vor Ort herbeiführen. Ein angemessenes und organisches Wachsen einheimischer, wirtschaftlicher und staatlicher Strukturen sollte das Ziel der Entwicklungspolitik sein. Mikrokredite sind ein wirksames Instrument, um den Menschen vor Ort beim Aufbau eines kleinen Unternehmens zu helfen. Vor allem Frauen gelten als sichere Rückzahlerinnen, weshalb sie besonders viele Kredite empfangen. Kleinstkredite tragen enorm zur Selbstbestimmung der Menschen und speziell der Frauen in den Entwicklungsländern bei. Damit einhergehen müssen allerdings begleitende Maßnahmen, um den Erfolg von Mikrokrediten zu gewährleisten. Ein weiteres erfolgreiches Modell der Mikrofinanzierung stellen sogenannte revolvierende Fonds dar, bei denen sich verschiedene Menschen vor Ort zusammenschließen, um einen finanziellen Grundstock aufzubauen, von dem dann Kredite an Anteilseigner basisdemokratisch vergeben werden.

Agrarsubventionen und hohe Zölle

Agrarsubventionen werden von Industrieländern eingesetzt, um den einheimischen LandwirtInnen eine preiswertere Produktion zu ermöglichen. Durch die Subventionen aber drängen Produkte aus den Industrieländern auf die Märkte in Entwicklungsländern und zerstören dort die Lebensgrundlage vieler LandwirtInnen. Die GRÜNE JUGEND NRW fordert einen gerechten Welthandel ohne verfälschende Subventionen seitens der Industriestaaten! Wir setzen uns deshalb für die Abschaffung der momentan gängigen Subventionen ein.

Das genügt jedoch bei Weitem nicht. Entwicklungsländer dürfen nicht zur vollständigen Öffnung ihrer Märkte gezwungen werden. In vielen Fällen ist es für die Entwicklung der nationalen Wirtschaft sinnvoll und wichtig, Zölle einzuführen und nicht allein auf Exportwirtschaft zu setzen. Dies ist jedoch nach heute gültigem Welthandelsrecht nicht möglich, da das WTO-Übereinkommen den Aufbau neuer Zollschranken verbietet. Deshalb ist an dieser Stelle eine Änderung des Welthandelsrechts unumgänglich. Mit gezielter Abschottung in bestimmten Bereichen kann eine eigenständige Entwicklung für Entwicklungsländer garantiert werden, ohne vom Fortschritt anderer Länder abgehängt zu werden. Der Fokus darf deshalb nicht auf der Förderung des Welthandels, sondern muss auf der Förderung der lokalen Wirtschaft liegen. Solange die hierfür notwendigen Rahmenbedingungen nicht gegeben sind, müssen die Industrieländer zumindest einen gerechten Zugang zu ihren Märkten gewährleisten und die heimischen Preise nicht durch Subventionen verfälschen.

Entschuldung

Die GRÜNE JUGEND NRW fordert eine konsequente Entschuldungspolitik, um die ärmsten Länder der Erde von ihren Schulden zu befreien. Dazu bedarf es klarer Kriterien und eines transparenten Verfahrens für den Schuldenerlass, um zu verhindern, dass die GläubigerInnenländer die SchuldnerInnenstaaten zu Zugeständnissen zwingen können. Wir setzen uns insbesondere für den sofortigen Erlass so genannter illegitimer Schulden (Odious Debts) ein, also von Schulden, welche unter Missachtung internationaler Rechtstandards zustande gekommen sind, also z.B. von Diktaturen aufgenommene Schulden.

Europäische und deutsche Entwicklungspolitik

Europäische und deutsche Entwicklungspolitik sind bereits heute eng miteinander verwoben. Abgestimmte und aufeinander aufbauende Zusammenarbeit ist daher elementar. Bei internationalen Abkommen und Handelsfragen muss darauf geachtet werden, dass Entwicklungsländer nicht massiv benachteiligt werden und so das Ziel der Entwicklung ad absurdum geführt wird.

Europäische Strukturen

Die wirtschaftliche Macht des europäischen Binnenmarktes und die Höhe des europäischen Entwicklungsetats, von dem über die Hälfte der weltweiten Entwicklungszusammenarbeit bestritten wird, macht die EU zu einer der wichtigsten globalen AkteurInnen in der Entwicklungspolitik. Für die Europäische Union ergibt sich daraus die Pflicht, ihren Einfluss zu nutzen und sich mit Nachdruck für die Verbesserung der globalen Strukturen einzusetzen.

Der Europäischen Union muss die Aufgabe zukommen, die von ihr geleistete Entwicklungspolitik und die der Mitgliedsstaaten zu koordinieren. Oft entstehen in der Entwicklungszusammenarbeit der europäischen Mitgliedstaaten Überlappungen und Widersprüche, die zu Ineffizienz führen.

Der 2006 gefasste europäische Entwicklungskonsens ist ein erster wichtiger Schritt in die richtige Richtung, denn er trägt dazu bei, die europäischen Anstrengungen in der Entwicklungspolitik zu koordinieren und unter einem gemeinsamen Ziel zu vereinen. Die enge europäische Kooperation muss gestärkt werden, um den Erfolg der geleisteten Entwicklungszusammenarbeit weiter zu erhöhen.

Unser Ziel ist es, die Entwicklungspolitik von den Mitgliedsstaaten auf die Europäische Union zu verlagern, dazu müssen vor allem das Demokratiedefizit der EU überwunden, entwicklungspolitische Kohärenz erreicht und die Agrarsubventionen in ihrer heutigen Form abgeschafft werden. Darüber hinaus setzt sich die GRÜNE JUGEND NRW für eine deutliche Aufstockung des EU-Etats für Entwicklungszusammenarbeit ein.

Deutsche Institutionen der EZ

Deutschland hat in der Entwicklungszusammenarbeit eine komplexe Institutionenlandschaft. Im Wesentlichen sind fünf Institutionen damit beauftragt, die Entwicklungszusammenarbeit zu leisten: Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) selbst, die Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ), die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), der Deutsche Entwicklungsdienst (DED) und die Internationale Weiterbildung und Entwicklung gGmbH (Inwent). Diese Vielzahl an PartnerInnen erreicht zwar laut dem Prüfbericht der OECD gute Ergebnisse, doch für die Zusammenarbeit mit PartnerInnen aus aller Welt ist oft nicht nachvollziehbar, wer für welche Aufgabe zuständig ist.
Die Spezialisierung von weiteren AkteurInnen auf einzelne Bereiche kann sinnvoll sein. Sofern jedoch Defizite hinsichtlich Transparenz, Übersichtlichkeit und Effizienz bestehen, bedarf es hier struktureller Veränderungen.

Entwicklungspolitisches Bewusstsein verankern

Entwicklungspolitik ist mehr als das Überweisen von Geldbeträgen auf die Konten von Entwicklungsländern. Das Bewusstsein für eine solidarische Weltgemeinschaft muss auch in der Bevölkerung der westlichen Welt geschärft werden.
Austauchprogramme und Freiwilligendienste sind eine wichtige Möglichkeit ein Bewusstsein in der hiesigen Bevölkerung zu schaffen, den kulturellen Austausch zu fördern und konkret vor Ort zu helfen. Bei jedem Freiwilligendienst, insbesondere wenn er aus öffentlichen Mittel gefördert wird, muss die Frage gestellt werden, in wieweit er den Menschen vor Ort wirklich hilft. Wenn der Freiwilligendienst in erster Linie zur Selbsterfahrung der Freiwilligen dient, hat er nicht die politische Unterstützung der GRÜNEN JUGEND NRW.

NGO’s stärken

Nichtregierungsorganisationen (NGO’s, non-governmental organizations) haben eine wichtige Funktion als gesellschaftliche Sensoren für die Politik und als KritikerInnen gegenüber staatlichem Handeln. Durch ihre Projekte sind sie wichtige AkteurInnen in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit.

Die GRÜNE JUGEND NRW fordert die Einbeziehung von NGO’s in Entscheidungsprozesse der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit, da sie häufig über Ortskenntnisse, Kontakte zur Bevölkerung und notwendige Expertise verfügen. Daneben kann jedoch auch die Unabhängigkeit der NGO’s von Politik ein entscheidender Vorteil sein, denn NGO’s können in Ländern, denen Deutschland die Zusammenarbeit aufgrund der Nicht-Einhaltung bestimmter Kriterien versagt hat, tätig sein.

Das Engagement kirchlicher Organisationen erkennen wir an, sehen es aber da kritisch, wo ihre Arbeit vor Ort mit Missionierung in Verbindung steht. Auch Projekte, bei denen Einzelpersonen Waisenkinder als PatInnen „adoptieren“, sehen wir kritisch, denn die Kinder geraten in ein Abhängigkeits- und Dankbarkeitsverhältnis zu einem „spendablen Individuum“ der westlichen Welt. Wir begrüßen den langsam stattfindenden Wandel in der Öffentlichkeitsarbeit von Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit, einen stärkeren Akzent auf das selbstbestimmte Leben der Bevölkerung in den Entwicklungsländern zu legen.

Zivilgesellschaft einbeziehen – Entwicklung nachhaltig verankern

Als weiteren zentralen Punkt der Entwicklungszusammenarbeit sieht die GRÜNE JUGEND NRW die Einbeziehung der Zivilgesellschaft vor Ort. Der Erhalt indigener Souveränität und der entsprechenden Kulturen ist bei der Entwicklungszusammenarbeit zu berücksichtigen. Die Bevölkerung darf nicht als dankbare aber passive EmpfängerInnen angesehen werden, sondern als aktive BürgerInnen, die für ihre Rechte und Belange eintreten. Dieses Bewusstsein ist in vielen Entwicklungsländern in der Bevölkerung aber weit verbreitet. Es ist hierbei auch die Aufgabe der vor Ort tätigen AkteurInnen, diesem Bewusstsein entgegenzuwirken und ein Klima des Wissens- und Hilfsaustauschs zu schaffen. In der Tat gibt es gerade in afrikanischen Ländern eine Vielzahl an kleinen NGO’s, die jedoch auf die Unterstützung internationaler AkteurInnen angewiesen sind. Für die Entwicklung demokratischer Strukturen ist das Engagement der Zivilgesellschaft von zentraler Bedeutung, denn die Bürgerinitiativen und lokalen NGO’s sorgen für eine größere Teilhabe der BürgerInnen an politischen Entscheidungen. Die Unterstützung solcher NGO’s ist also auch ein Schritt hin zu mehr Selbstorganisation und Selbsthilfe. Diese Gruppen müssen aber auch von den AkteurInnen der Entwicklungszusammenarbeit in den Industrieländern als wichtige AnsprechpartnerInnen verstanden und in (lokale) Entwicklungsprojekte einbezogen werden. Dabei sehen wir jedoch die Gefahr, dass gerade große Organisationen sich zu stark an die GeberInneninstitutionen anbinden lassen und ihre Beteiligung so lediglich Feigenblattfunktion hat.

Insbesondere in der „Krisenprävention“ zur Verhinderung und Eindämmung von gewaltsamen Konflikten spielen NGO’s eine zentrale Rolle. Ziel ist es, die Konfliktursachen in der Gesellschaft zu überwinden und Friedensbemühungen auf lokaler Ebene zu stärken, um eine dauerhafte Friedenssicherung zu garantieren. Der Vorteil der NGO’s dabei ist, dass sie in direktem Kontakt zur Bevölkerung stehen und unabhängig von den Regierungen sowohl des jeweiligen Entwicklungslandes als auch der Länder des Nordens agieren.

Beschlussfassung der Landesmitgliederversammlung am 30.11.2008 in Köln



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