9. März 2009

Grüner New Deal



von Dr. Gerhard Schick, MdB

Wenn’s doch „nur“ eine Finanzkrise wäre. Wenn’s doch „nur“ darum ginge, die Wirtschaft anzukurbeln. Aber die Herausforderung ist wesentlich größer.
Wir haben es mit einer tiefgreifenden Krise unserer Wirtschaftsordnung zu tun, während wir gleichzeitig mit hoher Geschwindigkeit in die Klimakrise rasen und die Milleniumsziele verfehlen, also die weltweit vereinbarten Ziele unter anderem zum Abbau von Armut und Unterernährung.

Und genau deswegen braucht es einen Grünen New Deal. Mit diesem Konzept knüpfen wir Grünen, aber auch viele Vordenker in anderen Staaten, an die grundlegende Veränderung der Wirtschaft der Vereinigten Staaten in den 1930-er Jahren an. Damals, in der Weltwirtschaftskrise, baute US-Präsident Roosevelt seinen New Deal auf drei Säulen: Er regulierte die Finanzmärkte völlig neu, investierte Milliarden in Zukunftsprojekte – und er sorgte für umfangreiche Sozialreformen.

Die tiefgreifende Krise auf den Finanzmärkten erfordert nun eine völlige Neuausrichtung bei Banken, Fonds, Versicherungen und Ratingagenturen. Mit ein paar Nachjustierungen vorhandener Regeln wird es nicht getan sein. Europa braucht eine Finanzaufsicht für grenzüberschreitend tätige Institute. Steuer- und Regulierungsoasen müssen ausgetrocknet, eine Finanzumsatzsteuer eingeführt werden. Ratingagenturen und bisher unregulierte Fonds müssen einer konsequenten Regulierung unterworfen werden.

Der Grüne New Deal schließt aber auch eine neue Weltfinanzarchitektur ein: Wir brauchen einen Wirtschaftsrat bei den Vereinten Nationen, der demokratisch legitimiert ist, sowie eine grundlegende Reform des Währungssystems.

Denn an der Basis der jetzigen Krise liegen wirtschaftliche Ungleichgewichte zwischen den Währungsräumen. Und schließlich müssen die globalen Finanzmärkte wieder auf ihren eigentlichen Zweck zurückgeführt werden: die Finanzierung von Investitionen, die Bereitstellung von Liquidität und – in verantwortbarem Maß – die Übernahme von Risiken.

Doch diese Maßnahmen allein helfen noch nicht heraus aus der wirtschaftlichen Krise, die inzwischen den ganzen Globus erfasst hat. Ich bin überzeugt, dass die Wirtschaft nur durch einen neuen Impuls aus der Krise geführt werden kann, der eine Antwort auf Klimakrise und Bedrohung der Biodiversität gibt.

Diesen Impuls kann nur eine neue, nachhaltige Wirtschaftsweise geben. Eine neue Energiebasis – erneuerbare Energien statt Atom, Kohle, Öl und Gas –, höhere Energieeffizienz sowie Kreislaufwirtschaft sind dabei zentrale Elemente.

Investitionen, die heute im Rahmen von Konjunkturprogrammen gemacht werden, müssen von diesem Zielpunkt aus definiert werden. Deshalb brauchen wir ein ökologisches Investitionsprogramm. Was Bundes- und Landesregierung jetzt vorgelegt haben, ist davon allerdings etwa so weit entfernt wie die Abwrackprämie vom Aufbruch in umweltfreundliche Mobilität.

Bleibt die dritte Säule des Grünen New Deal: der soziale Ausgleich. Roosevelts Vorbild, die Einführung von Mindestlöhnen, gehört hier sicher dazu. Ebenso wie die Einführung einer Bürgerversicherung und erhebliche Investitionen in die Bildung.

Hinzu kommt die internationale Dimension: Ein effektives globales Klimaabkommen indes ist ohne solidarischen Ausgleich, Technologietransfer und Veränderungen in der Handelspolitik zwischen Nord und Süd kaum denkbar.

Mit dem Grünen New Deal besteht also die Chance, die Wirtschaft für Jahrzehnte zu prägen. Wir geben damit eine Antwort auf die Herausforderungen gleich dreier globaler Krisen: der Finanz-, der Klima- und der Ernährungskrise. Meines Erachtens werden dezentrale Produktionsweisen und Formen solidarischer Ökonomie einen größeren Stellenwert haben als in der überkommenen Industriegesellschaft.

Deswegen ist der Grüne New Deal nicht gleichzusetzen mit Öko-Kapitalismus oder Greenwashing, sondern er steht für eine tiefgreifende Veränderung unserer Wirtschaft, die es angesichts der Kräfte des Beharrens zum Beispiel in Energie- und Automobilkonzernen zu erkämpfen gilt.

Genau dafür bietet diese Krise eine Chance. Und umgekehrt ist die konsequente Ökologisierung der Wirtschaft einer der wenigen wirklich gangbaren Wege aus der Krise. Es wäre fatal, diese Chance nicht zu nutzen.

Gerhard Schick ist Finanzpolitischer Sprecher der Grünen Bundestagsfraktion



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