9. Januar 2013

Die verlogene Debatte



Warum es völlig normal ist, dass Hartz IV-Empfänger*innen dem*der Professor*in die Solaranlage finanzieren.

Die Energiewende kommt voran. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) hat eine rasante technische Entwicklung der Erneuerbaren in Gang gebracht. Wurde zu Beginn der Energiewende im Jahr 2001 noch angezweifelt, dass mehr als 4% Erneuerbare im Stromnetz überhaupt physikalisch möglich wären, so kommt heute bereits ein Viertel des Stroms aus erneuerbaren Energieträgern (Stand 2012). Die Ziele die die Macher des EEG anvisiert haben und die damals als viel zu ambitioniert angesehen wurden, wurden bei weitem übertroffen. Dennoch wird über das EEG, das diesen Erfolg erst ermöglicht hat debattiert wie über sonst kaum ein anderes Gesetz. Die EEG-Umlage würde den Strom verteuern. Empfänger*innen von Hartz IV und Menschen mit geringem Einkommen können sich angeblich den Strom bald nicht mehr leisten. Es könne nicht sein, dass der*die Hartz IV- Empfänger*in dem*der Professor*in die Solaranlage finanziert. Die Energiewende bringe nichts, da durch den Emissionshandel die CO2-Emissionen an anderer Stelle entstünden. All dies sind die Argumente, die gegen das EEG in Stellung gebracht werden. Sogar ein Gegenmodell zum EEG wird von einigen Lobby-Verbänden in die Dikussion eingebracht. Die meisten der Argumente gegen die erneuerbaren Energien sind aber verkürzt, unlogisch, oder falsch.

 

1. Die EEG-Umlage verteuert den Strom

 

Richtig ist die EEG-Umlage wird auf die kWh aufgeschlagen. Es sieht also so aus, dass der Strom durch die EEG-Umlage teurer wird. Dem ist aber nicht so.

Die erneuerbaren Energien und insbesondere die Solarenergie senkt den Strompreis an der Strombörse drastisch. Dies liegt an zwei Faktoren: zum einen hat die Solarenergie keine Brennstoffkosten, auf der anderen Seite steht sie vor allem tagsüber, also in einer Zeit hohen Stromverbrauchs zur Verfügung. Somit verdrängt die Solarenergie den Strom aus Gas- und Steinkohlekraftwerken, die sonst die Mittel- und Spitzenlast abdecken aus dem Strommix. Da Gas und Steinkohle als Brennstoffe relativ teuer sind, erhöhen diese Kraftwerke den Preis an der Strombörse. Solarenergie hat keine Brennstoffkosten und senkt somit den Preis. Diese Preissenkung kommt allerdings fast ausschließlich der Industrie zu gute. Diese Industrie muss aber kaum EEG-Umlage bezahlen, da die schwarz-gelbe Regierung sie großzügig mit Ausnahmegenehmigungen versorgt. Wenn diese Ausnahmen weniger würden, könnte die EEG-Umlage auf mehr Schultern verteilt werden und würde somit sinken. Zudem gibt es noch eine weitere Möglichkeit Geld beim Strom einzusparen: wechsel deinen Stromversorger!

 

2. Empfänger*innen von Hartz IV und Menschen mit geringem Einkommen können sich den Strom bald nicht mehr leisten.

 

Die EEG-Umlage beträgt 2013 ca. 20% des Strompreises. 2012 stammten 25% des Stroms aus erneuerbaren Energien. Es stellt sich also die Frage ob die EEG-Umlage für den „zu teuren“ Strom verantwortlich ist oder nicht. Zudem ist der Strom nur einer von vielen Nebenkosten, die auf einen Haushalt zukommen. Ich zahle in meiner Wohnung etwa einen gleich hohen Betrag für Gas (Warmwasser und Heizung). Die Preise für Gas und Öl werden in Zukunft wahrscheinlich eher steigen als sinken. Wenn also Menschen mit geringem Einkommen wirkungsvoll und nachhaltig entlastet werden sollen, so müsste der Staat entsprechende Angebote zur energetischen Gebäudesanierung stärker fördern. Doch hier kommt die Bundesregierung kaum voran. Aber auch bei der Stromversorgung gilt: wenn Gas und Kohle teurer werden, wird auch Strom aus Gas- und Kohlekraftwerken teurer. Somit bleibt als Alternative, die langfristig moderate Strompreise garantiert, der Umstieg auf erneuerbare Energie.

 

3. Es kann nicht sein, dass die*der Hartz IV-Empfänger*in dem*der Professor*in die Solaranlage finanziert.

Diese These ist so einleuchtend und verständlich dass vermutlich jede*r ihr erstmal zustimmen wird. Vom Grundprinzip her finde ich sie auch richtig. Dennoch ist genau die in dieser These beschriebene Umverteilung in unserer Wirtschaftsweise allgegenwärtig. Wenn der Hartz IV-Empfänger im Discounter Lebensmittel einkauft finanziert er dem Eigentümer vielleicht eine neue Yacht, oder eine neue Villa, oder ein neues Auto. Schließlich verkauft der Discounter die Produkte über dem Einkaufspreis. Von der Differenz werden die Mieten für die Läden die (oft sehr niedrigen) Löhne und andere laufende Kosten bezahlt. Es bleibt aber immer noch ein Profit übrig, der als Gewinn an die Eigentümer abgeführt werden kann. Wer sich also darüber aufregt, dass das EEG dafür sorgt, dass der*die Hartz IV-Empfänger*in dem Professor die Solaranlage finanziert, sollte sich darüber Gedanken machen, wie sie*er sich gegen den Kapitalismus engagieren kann und welche Alternative sie*er sich wünscht.

 

4. Die Energiewende bringt nichts, da durch den Emissionshandel die CO2-Emissionen an anderer Stelle entstehen.

Dieses Argument wird vor allem von eher Neoliberalen Menschen vertreten. Richtig ist: Wenn weniger Strom aus Kohlekraftwerken produziert wird sinkt natürlich der CO2-Ausstoß. Dadurch sinkt natürlich auch der Preis für die CO2-Zertifikate. Nach der Logik des Emissionshandels führt dies dazu, dass in anderen Bereichen mehr CO2 ausgestoßen wird.

Hierbei stellt sich für mich aber die Frage welches Instrument sinnvoller ist um CO2 einzusparen. Der Emmissionshandel in Europa ist durch die viel zu hohe Zahl an Zertifikaten aus der Einführungsphase absolut überschwemmt. Dazu kommt noch die Wirtschaftskrise, die den CO2-Ausstoß in der Industrie drastisch gesenkt hat. Auch dadurch wurden die Zertifikate billiger.

All das zeigt: der Markt ist nicht in der Lage auf veränderte Rahmenbedingungen so zu reagieren, dass sich Klimaschutzmaßnahmen weiterhin lohnen. Daher ist das EEG genau das richtige Instrument um den CO2-Ausstoß im Energiesektor zu senken.

Warum ich gegen die Quote bin:

Zum Abschluss möchte ich noch kurz auf das Quotenmodell zur Förderung der erneuerbaren Energien eingehen. Dieses von der neoliberalen „Initiative neue soziale Marktwirtschaft“ vorgeschlagene Instrument, welches auch von Teilen der FDP und vom Freistaat Sachsen unterstützt wird funktioniert wie folgt:

Der Staat verpflichtet die Stromversorger einen bestimmten Anteil an erneuerbarem Strom zu verkaufen. Die Stromversorger müssen nun entweder selbst entsprechende Kraftwerke (z.B. Windparks) bauen oder Strom aus erneuerbaren Energien einkaufen. Laut den Befürwortern dieses Modells wird die Energiewende dadurch preiswerter.

Dennoch weist das Quotenmodell einige entscheidende Schwächen auf:

  1. Es schafft keine Anreize die mehr Erneuerbare als durch die Quote vorgegeben zu produzieren. Dank dem EEG wurden die ursprünglichen Ausbauziele für die erneuerbaren Energien bisher drastisch übertroffen.
  2. Es sorgt für eine weitere Konzentration der Energieversorgung in der Hand weniger. Eine echte Energierevolution ist so nicht möglich.
  3. Große Anlagen brauchen länger bis sie fertig sind, dazu ist das Kapital der Stromkonzerne begrenzt. Auch diese Faktoren würden den Ausbau der Erneuerbaren mittels des Quotenmodells bremsen.
  4. England hat Anfangs auf die Quote gesetzt. Hat aber mittlerweile die Konsequenzen aus den Nachteilen des Quotenmodells gezogen und eine Regelung nach dem Vorbild des EEG eingeführt.

 

Die Lobby der Stromkonzerne merkt langsam, dass Photovoltaik-Anlagen auf Hausdächern eine große Gefahr für ihr Geschäftsmodell darstellen. Wenn die Verbraucher*innen selbst zu Produzent*innen werden, ist kein Platz mehr für Konzerne. Doch hier fängt die Auflösung von Abhängigkeitsverhältnissen erst an. Ich möchte Wege suchen, wie wir nach der Software- (Open-Source) und der Energierevolution auch weitere Bereiche unseres Lebens wieder in unsere Hand nehmen können. Damit die Menschen mit geringem Einkommen nicht den Reichen ihre Yacht finanzieren müssen. Damit es nicht mehr normal ist, dass der Hartz IV-Empfänger dem Reichen Unternehmenserben die Autosammlung finanziert. Damit unsere Kinder in einer friedlichen sozialen und ökologischen Welt aufwachsen und ein gutes Leben genießen können egal aus welcher gesellschaftlichen Schicht ihre Eltern stammen.



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