9. Mai 2013

Europäische Außenpolitik – Europäisch und friedlich?



Nach dem 2. Weltkrieg bestimmte die Idee einer wirtschaftlichen Einbindung, bzw. Zusammenarbeit mit der jungen Bundesrepublik die Außenpolitik Frankreichs.
Gemeinsame Schritte in der Kohle- und Stahlindustrie sollte einen jahrzehntelangen von wirtschaftlichen Interessen belasteten Konflikt beenden und damit einen neuen Krieg zwischen den ehemaligen Erzfeinden Frankreich und Deutschland präventiv verhindern.
Es heißt, dass Konrad Adenauer nur Stunden vor der Rede über dieses Vorhaben des französischen Außenministers Robert Schuman informiert wurde und diesem sofort zustimmte.

„Die französische Regierung schlägt vor, die Gesamtheit der französisch-deutschen Kohle- und Stahlproduktion unter eine gemeinsame Oberste Aufsichtsbehörde (Haute Autorité) zu stellen, in einer Organisation, die den anderen Ländern zum Beitritt offen steht. […]“

Aus der Erklärung des französischen Außenministers Robert Schuman vom 9. Mai 1950
Sicherlich reichen diese Sätze nicht, um den ganzen historischen Kontext und die Beweggründe Frankreichs und Adenauers zu dieser Entscheidung wiederzugeben, sie leiten jedoch eine neue Ära ein: Die Grundsteine auf dem Weg zur heutigen Europäischen Union wurden gelegt. Es soll ein friedlicher Kontinent entstehen, bei dem die Zusammenarbeit im Mittelpunkt steht. Es ist die Vision einer friedlicheren Welt….

Soziale Sicherheit – Rechtsstaatlichkeit – Menschenrechte – Diplomatie – Freiheit – Ja, das sind alles Werte und Bekenntnisse, die uns im Bezug auf die EU was sagen und mit denen wir was anfangen können. Für das Projekt „EU“ bekamen wir sogar den Friedensnobelpreis, der in den Medien heiß diskutiert wurde. Jedoch wie friedlich ist die EU-Außenpolitik?
Mit dem Lissabon-Vertrag wurde das Amt der Hohen Vertretung der EU für Außen- und Sicherheitspolitik geschaffen. Mit dieser Bezeichnung geht auch hervor, dass unsere Außenpolitik und unsere Sicherheitspolitik zusammenhängen. Zunächst wäre dies sicherlich nicht zu kritisieren, jedoch schauen wir uns doch mal am Beispiel Jemen genauer an, wie Sicherheit außerhalb der EU geschaffen werden soll:

Die EU veröffentlicht in regelmäßigen Abständen „Länderstrategiepapiere“, „um die Kohärenz der Politik gegenüber Drittländern zu verbessern und insbesondere die politischen Prioritäten und die Ausgaben im Entwicklungshilfebereich in Einklang zu bringen.“

Im Länderstrategiepapier Jemen steht:

„Jemen ist eines der ärmsten Länder der Welt und weist einen Entwicklungsstand auf, der demjenigenvon afrikanischen Ländern südlich der Sahara ähnelt, und ist bei weitem das ärmste Land im Nahen Osten.“

Um dieser Armut entgegen treten zu können, werden Leitlinien, bzw. Strategien festgelegt:

„Die Strategie der Zusammenarbeit EG-Jemen für den Zeitraum 2007-2013 ist daher wie folgt aufgebaut:

a) Strategisches Ziel 1: Unterstützung für die jemenitische Regierung bei der Förderung von Good Governance durch:

1. Unterstützung des Demokratisierungsprozesses durch Förderung der demokratischen Einrichtungen Jemens
2. Stärkung der Menschenrechte und der Zivilgesellschaft
3. Unterstützung der jemenitischen Regierungsreformen in den Bereichen Justiz, Zivilverwaltung und Dezentralisierung

b) Strategisches Ziel 2: In Einklang mit den ersten Millennium-Entwicklungszielen die Stärkung der Kapazitäten der jemenitischen Regierung zur Bekämpfung der Armut durch:

1. Förderung der Entwicklung des Privatsektors durch Unterstützung der nachhaltigen Entwicklung von Landwirtschaft und Fischerei sowie von Reformen zur Verbesserung des Regulierungsrahmens in Bezug auf Investitionen, Wirtschaft und Handel.
2. Leistung eines Beitrags zur Entwicklung der Humanressourcen durch Stärkung gesundheitspolitischer Maßnahmen im Bereich Fortpflanzungsgesundheit und Verbesserung der Grundversorgung in diesem Bereich.“

Aus diesem Länderstrategiepapier ist letztendlich zu entnehmen, dass sich die EU-Außenpolitik über eine maßnahmenorientierte Entwicklungspolitik definiert.

Das Beispiel Jemen und die damit verbundenen Strategien sind einzigartig und vor allem an einer präventiven Friedenspolitik orientiert – natürlich verfolgt die EU-Außenpolitik diese Strategien nicht aus Selbstlosigkeit – Nein, die EU möchte präventiv in soziale, wirtschaftliche, infrastrukturelle und demokratische Aufbauprojekte investieren, um im ölreichen Jemen Unruhen einzudämmen.

Es erweckt den Anschein, als hätte die europäische Diplomatie verstanden, dass Soziale Sicherheit und Demokratie vor Ort nicht durch Auslandseinsätze geschaffen werden können, sondern durch direkte Aufbauhilfen im Bereich Infrastruktur, Demokratie, Gesundheit und Wirtschaft.

Diese Strategien bleiben mit ihrer Intention leider nur Theorie-Strategien, oder Strategien, die nicht konsequent durchgeführt werden und wirken – so zum Beispiel auch im Jemen.
Amnesty International berichtete in ihrem Länderreport 2012 über die Unruhen im Jemen:

„Es gab Tausende Verletzte. Angefacht wurden die Demonstrationen durch den öffentlichen Zorn über zunehmende Armut, Arbeitslosigkeit, Korruption und das brutale, repressive Vorgehen der Regierung gegen die Proteste. Sicherheitskräfte und Regierungsanhänger schossen mehrfach mit scharfer Munition, Panzerabwehrraketen und anderen Waffen auf friedliche Demonstrierende.“

Umstürze im Arabischen Raum sind in erster Linie Emanzipationsbewegungen, die Rufe nach Wohlstand lauter werden lassen und ein Ende der Korruption fordern. Doch wie passen diese auf dem Papier verfassten Strategien zum Handeln einzelner EU-Staaten und vor allem zu den identischen Forderungen der Jemenit*innen?

Die Realität schaut leider anders aus! Viele von uns können sich sicherlich noch an die Schlagzeilen erinnern, die die Schwarz-Gelbe-Regierung für ihre Waffenexporte in den Jemen kritisierten. Wir sprechen hier vom EU-Mitglied Deutschland, die Waffen in Krisenregionen exportieren. Es sind Krisenregionen, mit regelrecht gefährlichen Diktaturen und einer aufschreienden Bevölkerung– wozu könnten da wohl die Waffen dienen?! * TickTackTickTack*

Die EU hat nicht nur ein Problem– sondern Mehrere: Mehrere Waffenexporteur*innen, die letztendlich den selbst erstellten Strategiepapieren völlig widersprechen. Eine wahre gemeinsame Außenpolitik, die auf Grundlage der selbsternannten Werte geführt werden würde, könnten diese völlig sinnfreien Waffenexporte stoppen und eine präventive Friedenspolitik in der Praxis umsetzen.

Wir brauchen in der EU kein zahnloses Amt der Hohen Vertretung der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, sondern ein Parlament mit mehr außenpolitischen Kompetenzen, die sicherlich von den einzelnen Nationen abgegeben werden müssen. Wir brauchen Mechanismen die ineinander greifend Waffenexporte zum Gunsten unserer europäischen Vision einer friedlicheren Welt verbieten – dies darf nicht nur auf geduldigem Papier verfasst werden, oder bei einem Lippenbekenntnis bleiben. Die Europäische Union war vor ca. 50 Jahren eine Vision – heute leben wir diese. Lasst uns zurück zu einer EU mit Visionen!

Quellen:
http://www.ag-friedensforschung.de/themen/Europa/60-thesen.pdf
http://www.faz.net/themenarchiv/2.1198/sicherheit-im-21-jahrhundert-europaeische-friedenspolitik-im-21-jahrhundert-1463586.html
http://de.wikipedia.org/wiki/Schuman-Erkl%C3%A4rung
http://www.amnesty.de/jahresbericht/2012/jemen
http://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/70085/eu-sicherheitspolitik-23-10-2006
http://eeas.europa.eu/yemen/csp/02_06_de.pdf



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