10. August 2014

Gute Nacht, G8!



Seit der Einführung des Abiturs nach der zwölften Jahrgangsstufe in fast allen Bundesländern sind Schüler*innen einer erheblichen zusätzlichen Belastung ausgesetzt. Die Zeit die mit neben der gestiegenen Stundenzahl in der Schule auch noch mit Hausaufgaben und dem selbständigen Lernen zu Hause verbracht wird, ist durch diese Änderung drastisch gestiegen.

Zeit kann kaum mehr frei eingeteilt werden. Die Schule macht den Hauptteil des alltäglichen Lebens von Schüler*innen aus. Ihnen wird dadurch immer mehr die Möglichkeit genommen, sich außerhalb der Schule zu engagieren. Ehrenämter und soziales, sowie politisches Engagement sind zeitlich kaum mehr möglich, obwohl sie gute Möglichkeiten sind, Verantwortung und Selbstbewusstsein zu erlernen. Außerdem geben Ehrenämter Schüler*innen die Option, sich aktiv für die Gesellschaft, in der auch sie leben, einzusetzen. Dies fördert das politische Bewusstsein und kritisches, selbstständiges Denken, also Fähigkeiten, die wir in der Entwicklung junger Menschen für außerordentlich wichtig halten. Die jetzige Vorgehensweise im Zuge der G8-Reform schränkt dadurch die Entfaltung der Schüler*innen massiv ein!
Nicht nur Leistung, sondern auch ein reges und aktives Sozialleben sollte im Leben aller Menschen eine wichtige Rolle spielen dürfen! Doch Schüler*innen des G8 Systems wird zeitlich so viel abverlangt, dass für Freundschaften und Beziehungen oftmals kein Raum mehr bleibt. Wir wollen keine Generation von Menschen, die ausschließlich auf Erfolg getrimmt sind und denen beigebracht wurde, dass das eigene Sozial- und Gemeinschaftsleben immer hinten anzustehen hat! Gerade im Jugendalter spielen Freundschaft und Liebe eine immer größere Rolle und Schüler*innen sollten die Möglichkeit haben, ihre Zeit mit ihnen nahestehenden Menschen verbringen zu können!
Nicht alles, was sich zu lernen lohnt, wird in der Schule unterrichtet. Doch das G8 System spannt Kinder und Jugendliche so sehr ein, dass keine Zeit mehr bleibt, sich außerschulisch zu bilden und zu betätigen. Wir fordern, dass jungen Menschen wieder mehr Zeit für Sport, Lesen, den Besuch von Kulturstätten und auch das Musizieren eingeräumt wird! Dies ist mit dem aktuellen Abitur nach zwölf Jahren jedoch praktisch unmöglich. Schüler*innen wird so nicht nur die eigenständige Gestaltung der Freizeit, sondern auch der Zugang zu wichtigem außerschulischen Wissen verwehrt.
Die verkürzte Schulzeit setzt die Schüler*innen in diesem System unter enormen Druck. Häufig sind junge Menschen nicht in der Lage diesem Druck auf Dauer standzuhalten. Schule wird zum Angstraum, zu der Belastung durch die Pubertät kommen nun noch die Anstrengung und die Strapazen des G8-Systems, die den eh schon enormen Leistungsdruck nun noch verstärken. Die Folge ist, dass selbst sehr junge Menschen schon unter den Symptomen von Burn-Out und anderen psychischen Problemen zu leiden haben. Dies war bereits vor der Umstellung des Schulsystems ein ernstes Problem, welches nun noch um ein Vielfaches verschärft wird. Wir fordern ein Schulkonzept, in dem das Wohl der Schüler*innen vor den unrealistischen Leistungserwartungen unserer Gesellschaft kommt, ein Konzept, das Kinder und Jugendliche nicht schon vor dem Ende ihrer Bildungslaufbahn psychisch kaputt macht!
Daher fordern wir, dass das Schulsystem so verändert wird, dass der zeitliche sowie psychische Druck auf Schüler*innen massiv reduziert und die Schule wieder zu einem positiv konnotierten Ort für junge Menschen wird! Lernen sollte Spaß machen und nicht Menschen in Verzweiflung über Zeitmangel und Noten stürzen! Dazu ist es notwendig, dass die Wochenstunden für Schüler*innen drastisch reduziert werden und wieder zum Abitur nach 13 Jahren zurückgekehrt wird. Doch dies allein reicht nicht aus. Es ist ebenso wichtig, dass Schulen und Politik darauf achten Projektangebote für selbst-motiviertes Lernen zu stärken und so den Schüler*innen mehr Autonomie über ihr Lernpensum und ihre Lernmethoden zu gewähren. Nicht nur entlastet selbstbestimmtes Arbeiten junge Menschen massiv, da sie sich ihre eigenen Zeitpläne machen können, sondern sie lernen gleichzeitig auch wichtige Kompetenzen wie Eigen- und Gemeinschaftsverantwortlichkeit.
Ein Schritt dorthin ist, die Schüler*innen nicht mehr an abstrakten, subjektiv zusammengestellten Leistungsmerkmalen zu definieren, sondern das Lernen um des Lernens willen zu fördern. Dies kann jedoch nur geschehen, wenn unser Schulsystem nicht mehr nur auf Noten aufgebaut wird. Die Abschaffung der Noten in der frühen Schullaufbahn würde den Leistungsdruck der Kinder und Jugendlichen massiv reduzieren und dabei auch gleichzeitig aufzeigen, dass Lernen ein Prozess ist, an dessen Ende nicht eine Zahl, sondern Wissen steht.
Trotzdem wird es weiterhin junge Menschen geben, die in der Pubertät und Schulzeit psychologische Unterstützung brauchen. Hier muss der schulpsychologische Dienst dringend erweitert und ausgebaut werden, um das Wohlbefinden und die Gesundheit der Schüler*innen zu fördern.

Das Schulsystem in seinem jetzigen Bestehen ist nicht mal annähernd an die Lebensrealität von jungen Leuten angepasst, es raubt ihnen all ihre Zeit und Energie, Ressourcen, die ihnen dann bei der Ausübung von Freizeitaktivitäten, Ehrenämtern und der persönlichen Entfaltung fehlen. Es setzt die Schüler*innen einem nicht zumutbaren Druck aus. Dies dürfen wir nicht länger hinnehmen und fordern daher eine klare Abwendung von G8 und eine Modifizierung des Schulsystems zu einem System, das Schüler*innen als Menschen anerkennt, wertschätzt und ihre Entwicklung positiv unterstützt!

Doch auch das G9-System ist nicht ideal und muss strukturell überarbeitet werden. Langfristig ist es uns wichtig, dass Schüler*innen die Möglichkeit haben flexibler über ihre Lerndauer entscheiden zu können.

 

Beschlussfassung der Landesmitgliederversammlung vom 28./29. Juni 2014 in Mönchengladbach



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